Ich zitiere aus der Predigt des Diözesanadministrators und künftigen Bischofs von Augsburg, Bertram Meier, vom letzten Sonntag (https://bistum-augsburg.de/Bistum/Domkapitel/Domdekan/Predigten-Ansprachen/Komm-heraus!-Die-Kirche-ist-heilsrelevant_id_219298), wo man inmitten einiger durchaus geistliche auferbauender Worte den Satz findet:
„Es kursiert der Vorwurf: Die Kirchen sind auf Tauchstation. Da kann ich nur sagen: Weit gefehlt! Ich danke allen, die in Krankenhäusern, Seniorenheimen, Sozialstationen, Laboren und sonstigen Einrichtungen bis an ihre Belastungsgrenze gehen, um kranken und sterbenden Menschen beizustehen, Not zu lindern, Diagnosen zu stellen und mit Hochdruck an einem erlösenden Impfstoff zu arbeiten.“
Demnach ist also alles in bester Ordnung: Die Kirche ist weiterhin aktiv, unter anderem in der Arbeit der Ärzte, Sozialarbeiter, Laboranten und Impfstoff-Suchenden, und die Arbeit dieser Fachleute ist ja tatsächlich gut und wichtig. Aber was kann die Kirche bei diese n Aufgaben spezifisch als Kirche dazu beitragen? Nichts, was Menschen außerhalb der Kirche nicht genauso gut machen können. Nein, in ihrer eigentlichen Arbeit ist die Kirche tatsächlich auf Tauchstation, in diesem Punkt muss ich widersprechen, und es nützt nichts, diese Tatsache mit schönen Worten zu kaschieren.
Vor allem aber wirkt dieser Satz des Diözesanadministrators überholt, wenn man sich die neuste Verordnung des Bistums Augsburg (vom 31.03.2020) zu Gemüte führt, in der das Verbot zur Abhaltung öffentlicher Gottesdienste noch wesentlich verschärft wird
(https://bistum-augsburg.de/Nachrichten/Einschraenkungen-bei-traditionellen-Braeuchen_id_219455):
„Aufgrund der anhaltenden Corona-Krise sieht sich das Bistum veranlasst, Einschränkungen im traditionellen Brauchtum rund um die Heilige Woche anzuordnen. Besonders davon betroffen sind Palmbuschen, Osterkerzen und Osterkörbe, deren Verteilung, Verkauf oder Segnung seitens der Pfarreien unterbleiben soll.“
Die Gläubigen können ja, wie es im nächsten Satz heißt, diese „die liebgewonnen Zeichen und Segnungen“ in einem Hausgottesdienst selber durchführen.
Weiter heißt es:
„In der aktuellen Krisensituation mehren sich die Anfragen, ob es möglich wäre unter Beachtung größtmöglicher Hygienevorschriften (z.B. durch das Tragen von Handschuhen) Osterkerzen/Palmbuschen oder den Pfarrbrief in der Gemeinde zu verteilen und vor die jeweilige Tür des Gemeindeangehörigen zu stellen.“
Genau das hätte ich auch selbst gern angefragt. Aber ich kann mir das nun schenken, denn hier folgt schon die Antwort:
„Trotz unseres vollsten Verständnisses dafür, den Pfarreiangehörigen auch in dieser schweren Zeit Ostern etwas näher bringen zu wollen und dem Wunsch auf diese Weise Nähe zu den Gläubigen zu zeigen, müssen wir von diesen Vorhaben dringend abraten.“
Und warum?
„Leider kann trotz des Tragens von Handschuhen nicht ausgeschlossen werden, dass eine mögliche Übertragung des Virus durch die Kerzen/Palmbuschen erfolgen könnte.“
Im Ernst? Dann dürfte man auch keine Waren mehr beim Einkaufen mit den Händen in Empfang nehmen, selbst nicht mit Handschuhen. Bis jetzt hat der Staat nichts dergleichen gefordert. Offensichtlich ist will das Bistum hier eine Vorreiter-Rolle übernehmen, und noch restriktiver sein als der Staat. Genau das wird im folgenden Satz bestätigt:
„Die derzeit in Bayern geltende vorläufige Ausgangsbeschränkung sollte restriktiv ausgelegt werden.“
Wer also gehofft hatte, dass die Kirche mit Berufung auf Religionsfreiheit und das Konkordat eine Lockerung der Auflagen für ihr Wirken vom Staat einfordern würde, wird hier enttäuscht sein. Nicht nur keine Lockerung, sondern eine restriktive Auslegung wird hier gefordert.
„Auch von der Möglichkeit die Osterkerzen oder Palmbuschen in der Kirche zum Mitnehmen aufzustellen, bitten wir abzusehen.“
Das ist dann wohl logisch, denn beim Mitnehmen selbst mit Handschuhen könnte man sich ja infizieren, wie wir gerade gehört haben.
„Eine Gruppenbildung an öffentlichen Plätzen ist nicht zulässig. Es ist dringend zu vermeiden, dass sich Menschenansammlungen bilden. Durch das Aufstellen von Palmbuschen, Osterkerzen oder ähnlichem könnte begünstigt werden, dass der Mindestabstand der Personen nicht eingehalten wird. Es sollten in einer Zeit, in der die Menschen durch die geltende Allgemeinverfügung angehalten sind zuhause zu bleiben, keine derartigen Aktionen in öffentlichen Räumen stattfinden.“
Ja wenn das so ist – wenn wir „angehalten zu Hause zu bleiben“ – wäre es doch wohl konsequent, anzuordnen, dass die Kirchen abgeschlossen werden. Denn was soll man antworten, wenn man auf dem Weg zum persönlichen Gebet in die Kirche von der Polizei angehalten wird, und nur der Gang zur Apotheke, zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur körperlichen Ertüchtigung erlaubt sind? Der Gang zum Gebet ist unter den staatlicherseits zugelassenen Gründen jedenfalls nicht explizit angeführt, und ein Bischof, der Staatsgesetze restriktiv auslegen will, müsste dann eigentlich die Kirchen abschließen lassen. Ich bin jedoch dankbar dafür, dass diese Maßnahme (noch) nicht ergriffen wurde: Die für private Beter offen stehenden Kirchen bleiben uns also vorerst noch als kleines Zeichen der Hoffnung erhalten.
Das letzte Anordnung lautet:
„Gleiches muss auch für die Segnung von Speisen in der Osterzeit gelten. Es ist leider nicht möglich, dass den Gläubigen angeboten wird, zu einer bestimmten Zeit in der Kirche/Pfarrheim Osterkörbe abzustellen und später wieder abzuholen. Die Übertragung des Virus durch die Speisen oder den erhöhten Publikumsverkehr kann nicht ausgeschlossen werden.“
Das ist vorerst alles. Anderswo ist wohl mit ähnlichen Vorschriften zu rechnen. Am Ende des Schreiben wird noch verwiesen auf einen“ Hausgottesdienst zum Ostermahl mit Gebeten zur Segnung der Osterkerze und der Speisen, damit die Gläubigen sich durch diese Symbole ein wenig mit der ganzen Kirche verbunden fühlen können.“ Das ist sicher besser als gar nichts. Aber damit schreitet die Spiritualisierung und Individualisierung des Glaubens weiter voran: eine bedenkliche Tendenz, die man schon vor der jetzigen Krise beobachten konnte. Es ist wirklich zu hoffen, dass diese Tauchfahrt der Kirche bald ein Ende hat.