Nirgendwo in dem Dokument wird erwähnt, dass Gott unser letztes Ziel ist, dass Christus unsere Hoffnung ist und dass wir die Gnade des Heiligen Geistes sowohl für unsere moralische Umkehr als auch für ein gutes moralisches Leben brauchen.
Als katholische Gläubige und Wissenschaftlerin, die die Päpstliche Akademie für das Leben (PAL) sehr respektiert, begann ich mit der Lektüre ihres jüngsten Dokuments „HUMANA COMMUNITAS IN THE AGE OF PANDEMIC: UNTIMELY MEDITATIONS ON LIFE’S REBIRTH“, in der Erwartung, einige Worte der Weisheit zu finden. - Da es von einem angesehenen Beratungsgremium des Heiligen Stuhls kommt, erwartete ich etwas Wesentliches, das über die übliche Art von Informationen, die in den säkularen Medien verfügbar sind, hinausgehen sollte - etwas, das in der Lage ist, den Geist zu erleuchten und die Seele zu nähren. Darüber hinaus deutet der Titel des Dokuments „Meditationen über die Wiedergeburt des Lebens“, auf tiefgründige Reflexionen hin, die eine starke Botschaft der Hoffnung vermitteln, die den Gläubigen helfen, die existentielle „Wüste“ zu durchqueren, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht worden ist.
Ich ahnte jedoch nicht, dass der Titel des Dokuments irreführend ist und dass mir ein intellektueller, moralischer und spiritueller Schock bevorstand!
Das Dokument besteht aus genau 4.192 Wörtern; das Wort „Hoffnung“ wird sechsmal erwähnt:
(i) „Warum ermutigen wir uns gegenseitig in der Hoffnung auf bessere Tage, wenn alles, was wir in dieser Pandemie erleben, vorbei sein wird?“
(ii) „die falschen Hoffnungen für eine atomistische Philosophie“
(iii) „die Saat der Hoffnung ist in die Dunkelheit kleiner Gesten gesät worden“.
(iv) „In Ermangelung eines Impfstoffs können wir nicht auf die Fähigkeit zählen, das Virus dauerhaft zu besiegen, … die Immunität gegen COVID-19 bleibt daher so etwas wie eine Hoffnung für die Zukunft,“
(v) „die falsche Unterscheidung zwischen Insidern, … die der Gemeinschaft angehören, und Outsidern, d.h. jenen (die) bestenfalls auf eine vermeintliche Beteiligung an der Gemeinschaft hoffen können“.
(vi) „Wir sind zu einer Haltung der Hoffnung aufgerufen, die über die lähmende Wirkung zweier Versuchungen hinausgeht.”
Leider enthält keine dieser Aussagen, noch ihr Kontext, irgendeine eine Botschaft der Hoffnung. Wenn überhaupt, dann tragen vier von ihnen negative und düstere Konnotationen, die den ohnehin schon bedrückenden Ton der übermäßig langen „Litanei“ von Klagen (Abschnitt 1, Seiten 1-4) über die verschiedenen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nur noch verstärken, die, wie von der Akademie angedeutet, von der Not der individuellen Einsamkeit bis zur mangelnden Vernetzung zwischen den Ländern reichen.
Das Dokument spricht bestenfalls schüchtern über die „Samen der Hoffnung“ (Abschnitt 1.3) und “eine Haltung der Hoffnung“ (letzter Absatz). Leider scheint das Dokument nicht in der Lage zu sein, dieses wichtigste Thema der Hoffnung weiterzuentwickeln. Man kommt nicht umhin zu fragen: Worin besteht diese Hoffnung, auf die die Päpstliche Akademie für das Leben anspielt? Ebenso erwähnt das Dokument gleich zu Beginn, dass „wir zum Mut des Widerstandes aufgerufen sind“, und unten auf Seite 4, dass wir zum „Mut der moralischen Umkehr" aufgerufen sind.“ Doch in keinem der beiden Fälle entwickelt die Päpstliche Akademie für das Leben das jeweilige Thema oder bietet irgendeine Anleitung, wie wir uns diese beiden Formen des Mutes aneignen sollen. Man braucht jedoch nicht viel nachzudenken, um zu erkennen, dass beide Formen mit Hoffnung verbunden sind - der Art von unerschütterlicher Hoffnung, die wie ein unauslöschliches Feuer, das in den Gläubigen brennt, solche Formen des Mutes in uns ständig aufrecht erhält…
Was ist dann die Quelle oder das Fundament, das eine solche unerschütterliche Hoffnung in uns belebt? Im Klartext: Was ist der Gegenstand unserer Hoffnung, auf den wir unseren Blick richten sollten, wenn nicht Christus selbst? (vgl. Spe salvi )
Nach allem, was man hört, scheint uns das Dokument zu sagen, dass wir unseren Blick stattdessen auf Amazonien richten sollen:
„Wir sind zu einer Haltung der Hoffnung aufgerufen, jenseits der lähmenden Wirkung zweier entgegengesetzter Versuchungen (…) Stattdessen ist es an der Zeit, sich ein Projekt des menschlichen Zusammenlebens vorzustellen und umzusetzen, das eine bessere Zukunft für jeden Einzelnen ermöglicht. Der Traum, der kürzlich für das Amazonasgebiet ins Auge gefasst wurde, könnte zu einem universellen Traum werden, zu einem Traum für den ganzen Planeten, ‚alle seine Bewohner zu integrieren und zu fördern, damit sie ein ‚gutes Leben‘ genießen können’“.
Aber ist es möglich, unsere Hoffnung auf etwas von der geschaffenen Ordnung zu setzen, wie idyllisch das irdische Paradies auch sein mag? Ist eine solche Utopie das wahre und höchste Gut für die Menschheit?
Warum ist dieses PAL-Dokument nicht in der Lage, eine Botschaft der Hoffnung zu vermitteln? Die Hoffnung setzt den Glauben voraus. Auf sieben Seiten erscheint das Wort „Glaube“ nur einmal, wenn das Dokument auf jene „strukturellen Dimensionen unserer globalen Gemeinschaft anspielt, die unterdrückend und ungerecht sind. Es geht um jene Strukturen, die gemäß dem Glaubensverständnis als „Strukturen der Sünde bezeichnet werden“ Wenn der Glaube fehlt, mangelt es auch an Hoffnung. Dieser Sachverhalt ist klar und einleuchtend.
Das Dokument spricht von der moralischen Bekehrung, um die Wiedergeburt der menschlichen Gemeinschaft herbeizuführen (Abschnitt 2). Es plädiert für eine Ethik des Risikos, die unter anderem Solidarität, Zusammenarbeit und die Bereitschaft zum Opfer einschließt. Es drängt sich die Frage auf: Woher nehmen wir die moralische Kraft, eine so edle Ethik des Risikos zu leben, die Ausdauer, Mut und eine ganze Reihe anderer Tugenden erfordert? Wie das Dokument aufzeigt, sind wir Menschen von Natur aus fragil. Wie sollen wir dann „eine wirkliche Bekehrung des Geistes und der Herzen“ erreichen, wenn nicht mit Hilfe der göttlichen Gnade? Ohne ein Wort über Gnade zu verlieren, schlägt das Dokument de facto vor, dass Menschen sich selbst an ihren eigenen Stiefelschlaufen hochziehen können, um eine Bekehrung zu erreichen.
Bekehrung bedeutet, sich von etwas abzuwenden und sich etwas anderem zuzuwenden. Wichtiger ist, dass die moralische Bekehrung eine ununterbrochene Reihe menschlicher Handlungen (für den Rest des Lebens desjenigen, der sich bekehrt) mit sich bringt, die alle auf dasselbe Endziel ausgerichtet sind. Dieses letztes Ziel und das „andere Etwas“, das unsere moralische Umkehr auslöst und unterstützt, sind im Grunde ein und dasselbe. Was ist unser letztes Ziel, wenn nicht das wahre und höchste Gut, das Gott selbst ist (vgl. Veritatis splendor , Kapitel 1)? Wer außer Gott allein kann alle menschlichen Wünsche vollständig erfüllen?
Nirgendwo in dem Dokument wird erwähnt, dass Gott unser endgültiges Ziel ist, dass Christus unsere Hoffnung ist und dass wir die Gnade des Heiligen Geistes, sowohl für unsere moralische Umkehr, als auch für ein gutes moralisches Leben brauchen. Auch die Kirche - die Spenderin der Sakramente als Quelle der Gnade - wird nirgends erwähnt. Wenn man diese schweigend übergeht, in welcher Weise unterscheidet sich dann der Aufruf der Päpstliche Akademie für das Leben für mehr Solidarität, Gleichheit und den „Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle ohne Ausnahmen“ von dem der säkularen Ideologien?
Es handelt sich um ein Dokument, das von einem angesehenen Körperschaft der katholischen Kirche (Beratungsgremium des Heiligen Stuhls) herausgegeben wurde, doch es wird weder das Christentum noch die Christen, geschweige denn die Katholiken, erwähnt. Dass ein Dokument für alle Männer und Frauen bestimmt ist, ist sicherlich kein Grund, seine katholische Identität zu beschneiden oder jeden Bezug auf Gott, Christus, den Heiligen Geist und die Kirche wegzulassen.
Anstelle einer reduktionistischen Vision einer bloß irdischen Utopie, in der alle Einwohner ein „gutes Leben genießen können“, hätte das Dokument in der Tat Männer und Frauen in das Leben Christi einladen sollen; es hätte eine starke Botschaft der Hoffnung mit einer reichen eschatologischen Vision anbieten sollen, „dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“ (Römer 8,18).
Doyen Nguyen, OP, M.D., S.T.D., ist Laiendominikaner und dozierte an der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) in Rom.
(Der englischsprachige Originalartikel erschien am 29.07.2020 auf lifesitenews.)