Ist Beten für die Katz?

Vor vielen Jahren erzählte mir eine fromme einfache Frau, ihr sei vor einer Woche die Katze entlaufen. Sie hätte darauf jeden Tag inständig gebetet, dass sie wieder zurückfinden möge. Nun, gestern sei sie aufgetaucht. Ich beglückwünschte sie, aber im Innern dachte ich, diese Frau ist schön naiv. Im Nachhinein kam ich dann doch ins grübeln. Sind meine Gebete für Gott vielleicht auch naiv? Ist mein Gottvertrauen mehr wert, als das dieser Frau? Ich kam zur Einsicht, dass ich den Glauben und die Hoffnung dieser Frau nicht mehr so hochnäsig beurteilen sollte.

Die Frage, ob Gott eine Katze auf die Bitte eines Menschen auf den Rückweg befehlen kann, ist keine dumme Frage. Wenn Gott allmächtig ist, kommt es für ihn nicht darauf an, eine Katze, einen Menschen oder ein ganzes Volk zu beeinflussen. Für Gott ist nichts unmöglich. Die Frage muss deshalb heissen, ob Gott eine Bitte erhören will. Hier ist Gott gewissermassen eingeschränkt. Er kann nämlich keinen Unsinn wollen. Die Erfüllung einer Bitte soll dem Bittsteller helfen, das ewige Leben zu gewinnen. Die Frage, ob die Rückkehr der Katze der Frau für das Seelenheil dienlich war kann kein Mensch beantworten. Gott ist die Liebe. So ist es durchaus möglich, dass Gott dieser Frau etwas über ihre Einsamkeit hinweghelfen wollte und dass er ihr Vertrauen belohnen wollte.

Wenn nicht eintritt, was wir uns von Gott erbeten haben, meinen wir gerne, er hätte uns nicht erhört. Wer hat aber nicht schon erfahren, dass man erst nach Jahren verstehen konnte, dass es gut war, dass Gott unsere Bitte damals nicht erhört hatte. Um die Enttäuschung über scheinbar nicht erhörte Bitten zu mildern gibt es einen guten Rat. Wir sollen nach jedem Bittgebet anfügen: «Aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe».

Bittet, und ihr werdet bekommen. Glaubt und ihr werdet bekommen. Wer schon nicht glaubt, dass Gott helfen kann, dem wird Gott eher nicht helfen. «Unsere Gebete müssen vom Vertrauen getragen sein. Viele gehen mit Gefässen zum Brunnen: alle schöpfen Wasser, aber nicht alle gleich viel; je grösser das Gefäss, desto mehr bekommen sie. Je grösser das Gefäss des Vertrauens ist, welches wir zum Gebet mitbringen, desto mehr Gnaden schöpfen wir. (Pesch S.)

Nun möchte ich gewissermassen die Katze aus dem Sack lassen. Wer nun das kindliche Gebet der einfachen Frau nicht verstehen will, braucht auch nicht zu beten, dass er vom Coronavirus verschont bleibe. Er wird auch nicht glauben, dass diese Pandemie ein Fingerzeig Gottes ist, und dass er einschreiten kann und diese Pandemie beenden kann. Jeder muss sich der Frage stellen, ob beten für die Katz ist.

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„Am 18. Dezember 1939, wenige Monate vor seinem Tod, schrieb [Peter Wust …] einen „Abschiedsbrief“ an seine Studenten, der an der Front in Russland von Hand zu Hand ging und in dem er ihnen noch ein Μετανοεῖτε. (deutsch: „Denkt/Kehrt um!“) zuruft.“

„Und wenn Sie mich nun fragen sollten, bevor ich gehe und endgültig gehe, ob ich nicht einen Zauberschlüssel kenne, der einem das letzte Tor zur Weisheit des Lebens erschließen könne, dann würde ich Ihnen antworten: ‚Jawohl‘ – Und zwar ist dieser Zauberschlüssel nicht die Reflexion, wie Sie es von einem Philosophen vielleicht erwarten möchten, sondern das Gebet. Das Gebet als letzte Hingabe gefasst, macht still, macht kindlich, macht objektiv.“

Peter Wust. Ein Abschiedswort, Paul Wolff, Regensburg 1949, Christliche Philosophie in Deutschland 1920–1945 S. 74.
Quelle: „Peter Wust“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 17. März 2020, 19:58 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Peter_Wust&oldid=197851369 (Abgerufen: 2. April 2020, 08:30 UTC)