Schenken ist etwas Urmenschliches. Es ist ein interpersoneller Akt. Ohne Vertrauen ist keine Zwischenmenschlichkeit möglich. Schenken und Sich-Beschenken-lassen setzt also Vertrauen voraus. Der Schenkende vertraut demjenigen, den er beschenken möchte. Der zu Beschenkende vertraut, indem er sich beschenken lässt, dem Schenkenden. Schenken und Vertrauen sind freiheitliche menschliche Akte. Somit drücken wir, indem wir jemanden etwas schenken, unser Vertrauen und unsere personale Freiheit mit aus. Die Phänomene „Vertrauen“ und „Schenken“ können also nicht sein ohne die personale Freiheit. Und die menschliche Freiheit kann nicht sein ohne das Phänomen „Vertrauen“…
Obschon Vertrauen nicht dasselbe ist wie Schenken, ist jedes Vertrauen ein Geschenk. Auch sind Schenken und Vertrauen nicht ohne Freiheit möglich, trotzdem ist die menschliche Freiheit immer auch ein Geschenk und Ausdruck von Vertrauen. Vertrauen und Geschenk bzw. Gabe verlangen von demjenigen, der sie als solche erhält, eine Antwort. Diese trägt den Namen Dankbarkeit.
Urphänomene wie Freiheit, Vertrauen, Gabe (Geschenk) sind zwar, wie das Wort besagt, auf nichts als sie selbst zurückzuführen, können aber dennoch einander voraussetzen und somit nicht ohne den Anderen sein.
Wenn wir jemandem vertrauen und jemanden beschenken, so machen wir uns verletzlich. Unser Vertrauen könnte missbraucht - unser Geschenk abgelehnt werden. Macht bedarf keiner Geschenke - Zwang braucht kein Vertrauen. Wir aber können ohne Vertrauen, das uns jemand schenkt, nicht sein…
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag über das Vertrauen. Ja, Vertrauen ist gewiss ein Thema mit dem jeder Mensch in irgendeiner Weise Schwierigkeiten hat. Deshalb ist es wichtig darüber zu sprechen, auch in einer Freundschaft sollten diese Schwierigkeiten offen angesprochen werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Vertrauen ist demnach auch ein sehr sensibles Thema. Zu dem Schaubild habe ich eine Frage, inwiefern stehen die Begriffe Zwang und Macht mit dem Geschenk des Vertrauens in Verbindung? Vertrauen ist deshalb so sensibel, weil es sehr zerbrechlich ist. Das von mir geschenkt Vertrauen steht auch in der Gefahr vom anderen missbraucht und ausgenutzt zu werden. Nach solch einer Erfahrung fällt es meist schwer einer anderen Person wieder sein volles Vertrauen zu schenken, und man wird eher misstrauisch oder zweifelt daran, dass der andere einem wirklich vertraut oder ob er das vertrauen auch wieder ausnutzt. Das zweite bezieht sich auf folgenden Satz: „Wir aber können nicht ohne Vertrauen, ads uns jemand schenkt sein…“ GOTT hat uns ins Sein gerufen und GOTT erhält unser Sein. Ohne Ihn können wir nicht sein, haben wir das wahre Leben nicht. Er hat uns aus Liebe geschaffen und Er schenkt uns dieses Leben. Mein Sein ist aber nicht abhängig von dem Vertrauen, dass mir eine Person schenkt, denn das kann auch wieder entzogen werden. Und wie die heilige Kirchenlehrerin Theresa von Avila sagt: „Sólo DIOS basta! GOTT allein genügt!“ Natürlich ist es schön und hat positive Auswirkungen auf mein Sein, wenn mein Gegenüber mich in meinem Sosein annimmt und mich bestätigt, mir vertraut, mich akzeptiert und es ist ein kostbares Geschenk das gegenseitige Vertrauen, Schenken und Beschenkt werden, doch wir sind, weil GOTT uns wollte, weil Er sich nach uns sehnt, weil ER die Liebe ist. Auch das Vertrauen ist ein Geschenk der Gnade GOTTES, von uns aus und ohne die Gnade, sind wir nicht fähig zu vertrauen.
@Mary Danke sehr für Deinen vertiefenden Kommentar und Deine guten Fragen! Psychologische Bindungsforschung ist auch in theologische Hinsicht interessant und relevant. Es gibt so etwas wie Urvertrauen, das uns durch unsere Eltern in den ersten Jahren mitgegeben worden ist. Bekannt ist auch, dass das Vaterbild für die langfristige religiöse Gottesbeziehung relevant ist… Freilich will ich damit nicht sagen, dass die Gottesbeziehung hierdurch determiniert wird.
Zwang und Macht haben mit Vertrauen soviel und so wenig zu tun, wie die Hölle mit dem Himmel. Die Hölle kann die Schönheit und Herrlichkeit des Himmels nicht schmälern, vielmehr dient sie auch als „letzte Barmherzigkeit Gottes“ als eine Art „Kontrastfolie“ zum Himmel und vergrößert in gewissen Maße seine Schönheit…
Wie ich finde, kann es uns helfen die Dinge der Welt immer mehr mit den Augen Gottes sehen zu lernen. Nichts anderes ist der Glaube… Wir sind oft enttäuscht worden, noch öfter aber haben wir Gott enttäuscht. Auch und besonders durch unsere Sünden. Trotzdem verzeiht Er uns und schenkt uns die Gnade, damit wir umkehren. Ja Er geht immer den ersten Schritt auf uns zu. Hierdurch spricht Er uns immer neu Sein Vertrauen aus.
Mit dem Satz „Wir aber können ohne Vertrauen, das uns jemand schenkt, nicht sein…“ kann durchaus auch und insbesondere Gott gemeint sein. Denn Er hat uns quasi unser Sein und unsere Freiheit anvertraut, indem er uns ins Sein rief und darin ständig erhält vertraut Er uns. Vertrauen setzt Freiheit voraus. Somit impliziert Vertrauen auch immer das Risiko des Vertrauensmissbrauchs. Doch wird Vertrauen ebenso wenig schlechter oder weniger wert, wie die Liebe ihre Schönheit und ihren Glanz durch die Existenz von Lieblosigkeiten und dergleichen verliert.
Gott lehrte uns sogar ein Vertrauensgebet: „Vater unser…“
Gott hat sein Vertrauen zu uns trotz und sogar wegen unserer Sünden mit seinem Blut am Holz des Kreuzes aus unendlicher Liebe unter Beweis gestellt, indem Er unsere Sünden sühnte. Es gibt keine größere Liebe und kein größeres Vertrauen als dieses…
Wie wir Vertrauen im Laufe unseres Lebens immer wieder verlieren und wieder erlernen können.
Es kann auch eine einzuübende Entscheidung sein, unsere Fähigkeit zu vertrauen zu entwickeln, ja einzuüben und festzustellen, dass sich mit dieser Haltung nicht nur in uns und den Menschen, denen wir begegnen, ein Wandel vollzieht, sondern überhaupt darin eine Chance liegt, die Welt zu verändern. Es geht darum, selbst bei sich einen Anfang zu machen, das „moralische Naturgesetz“ der Vergeltung und Verrechnung zu durchbrechen.
Es ist eine Aufgabe, die Mut erfordert (sich trauen!) zu verzeihen, zu vertrauen, das kann man in Kleinigkeiten anfangen zu üben.
Eine Art Selbsterziehung ist vonnöten.
Ich habe mal gelesen, daß am Anfang unseres Lebens das noch unbewußte Urvertrauen steht, dazwischen steht das Mißtrauen. Sie ist der Krisen- und Wendepunkt in der Mitte, und dann kann daraus das Vertrauen, die Einsicht für seine Bedeutung wachsen, daß das Vertrauen durch seinen Gebrauch nicht weniger wird. Im Gegenteil. Es wird nur dadurch weniger, dass man es nicht aufbringt. Erst dadurch wird die Ursache geschaffen, dass der andere sich so verhält, daß wir immer mehr mißtrauen können.
Das heisst, genau das Verhalten zu erzeugen, das eigentlich seine Voraussetzung ist, gehört zur Eigenart des Vertrauens wie des Mißtrauens.
Diese Einsicht wird meist erst gegen Ende des Lebens erlangt, und da spricht man von einer Art von Weisheit.
Sehr schön fand ich die Antwort einer sehr alten Bauersfrau - sichtlich mit sich im reinen, die gefragt wurde vor laufender Kamera, was sie denn nun von ihrem letzten Atemzug erwarte. Sie antwortete ergeben:
„Wie‘s der Herrgott will, is‘ mir recht.“
Das ist das Gottvertrauen, das - wenn wir uns darin geborgen fühlen können - es Ausdruck ist einer seelischen Kraft und ungeheuren Freiheit, die bereit ist, im bewußten Vertrauen, zu einer neuen Seinsweise durchzustoßen: zu der beglückenden Erfahrung, dass wir auch im Angesicht des Todes nicht verloren sind. Es ist die Überwindung der kreatürlichen menschlichen Angst vor dem Tode zu einem zweiten Geburtsvorgang, der das Schutzlos-Sein im Ungeborenen ausserhalb des mütterlichen Schoßes in eine Offenheit wendet, die zu einer Heils- und Ganzheitserfahrung wird.
Franz Kafka (1883-1924) in Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg
„Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbarbarem in sich, wobei sowohl das Unzerstörbare als auch das Vertrauen ihm dauernd verborgen bleiben.“