Dies eine die Mitschrift meiner mündlich frei vorgetragenen EWTN-Vortragsreihe Philosophie für Jedermann
Einführung
Heute geht es um die Frage der Erkenntnis und insbesondere um die Frage der Gewissheit menschlichen und philosophischen Erkennens. Diese Frage ist ein Grundproblem der Philosophen von der Antike bis zur Gegenwart. Es ist so, dass das Problem der Gewissheit, der Erkenntnis in gewisser Hinsicht den Kernpunkt der Frage nach menschlichem Erkennen ausmacht. Denn alles Erkennen, was nicht gewiss ist, was nicht evident ist, was nicht sicher ist, kann sich unter Umständen als Irrtum herausstellen. Insofern ist die Frage „Gibt es eine Gewissheit des Erkennens der Wahrheit?“ ein Grundproblem der Philosophie. Freilich ist der größte Teil des immensen Feldes menschlicher Erkenntnis, nicht von dieser Art.
Fast alles, von dem wir sagen, wir haben es erkannt, alle Kenntnisse der Geographie, der Geschichte, der Naturwissenschaften sind Erkenntnisse, die man auch als Meinungen bezeichnen könnte. Wir glauben nämlich, zum Beispiel in der Geschichte, den historischen Quellen, wir glauben unseren Freunden das, was sie uns über ihr Leben erzählen, und wir sagen, wir haben das und das erkannt. Das philosophische Problem, das wir heute behandeln, ist aber die Erkenntnis im engsten Sinn, die Erkenntnis im vollsten Sinn, nämlich die Gewissheit der Erkenntnis . Wenn ich Sie frage würde, was Sie über die Möglichkeit einer solchen Erkenntnis denken, so würden sie sich wahrscheinlich der Meinung der Mehrzahl aller Menschen anschließen und daran zweifeln, ob es eine solche Erkenntnis überhaupt gibt.
Wenn Sie lesen, dass die verschiedenen Philosophen völlig entgegengesetzte Meinungen vertreten haben, werden sie vermutlich zu dem Schluss kommen, dass es in der Philosophie gar keine Erkenntnis und zumindest keine Gewissheit der Erkenntnis gibt. Dieser Schluss ist wohl voreilig, denn auch irrige Meinungen von Philosophen enthalten immer gewisse Erkenntnisse und überhaupt um von Irrtum zu sprechen, setzen wir schon Erkenntnis voraus. Insofern ist die Unzahl von Widersprüchen, von Meinungen und auch Irrtümern in der Geschichte der Philosophie eher ein Beweis für die Wahrheit als gegen sie, denn ohne irgendetwas erkannt zu haben, kann ein Philosoph oder auch ein Mensch sich gar nicht irren.
Gibt es eine Gewissheit in der Erkenntnis?
Wenden wir uns aber jetzt dem zentralen Thema zu, ob es eine Gewissheit in der Erkenntnis gibt. Nicht nur sie oder die meisten gewöhnlichen Bürger nehmen an, dass es eine solche Gewissheit der Erkenntnis nicht gibt, sondern auch viele große Philosophen waren Skeptiker, wie wir sagen können.
In der Tat alle sechs großen Krisen in der Geschichte der Philosophie haben zu tun mit dem radikalen Zweifel an der Möglichkeit der Erkenntnis. Dieser Zweifel, den die Philosophen an der Möglichkeit der Erkenntnis genähert haben, hat viele Wurzeln. Eine von ihnen sind die zahllosen falschen Meinungen und Vorstellungen, die wir in Sinnestäuschungen, in Träumen in Halluzinationen erleben. Eine andere Quelle dieses Zweifels und dieser Skepsis war schon in der Antike die Tatsache, dass verschiedene philosophische Schulen genau das Gegenteil lehren. Die eine philosophische Schulen sagt, das Sein sei ewig, die andere sagt alles Seiende sei zeitlich. Die eine Schule sagt alles Seiende sei Materie, die andere sagt es sei Geist. Wie können solche widersprüchlichen Meinungen, vor allem wenn auch für beide Seiten starke oder gleich starke Argumente zu sprechen scheinen, wie kann man hier von Erkenntnis sprechen?
Die Hauptwurzeln der Skepsis in der modernen Philosophie
Die Skepsis in der modernen Philosophie hat ihre Hauptwurzeln in der Philosophie David Humes und Immanuel Kants. Bei Kant ist die Wurzel dieses Zweifels, die Meinung, dass nicht das Objekt, das Seiende selbst, die Ursache unseres Erkennens ist und den Inhalt unseres Erkennens bestimmt, sondern das Subjekt den Gegenstand gleichsam hervorbringt. Mit dieser kopernikanischen Wende kommt Kant zu dem Schluss, dass wir nicht die Dinge an sich, dass wir nicht die Wirklichkeit, wie sie unabhängig vom menschlichen Geist existiert, erkennen können.
Er hat noch viele andere Gründe für diese Position, zum Beispiel das sogenannte Antinomienproblem. Die Widersprüche, in denen wir landen, wenn wir über Zeit und Anfang oder Ewigkeit der Welt und ähnliche Probleme nachdenken. Auf alle Fälle ist diese Position Kants, dass wir nur die Erscheinungen, nicht das Ding an sich erkennen können, nicht die Wirklichkeit, wie sie unabhängig vom menschlichen Geist ist, eine der Hauptwurzeln, der Skepsis, die die Philosophie seit über zweihundert Jahren im Westen beherrscht und zum Teil auch durch die Massenmedien schon in der ganzen Welt verbreitet hat.
Heinrich von Kleists Verzweiflung an der Wahrheit
Über diese Skepsis, über diese Krise der Philosophie schreibt wiederum Heinrich von Kleist, der große Dichter, und schildert die Skepsis, die er selbst erlebt hat und die ihn zum Schluss zum Selbstmord getrieben hat, in ergreifenden Worten. Er schreibt in einem Brief an seine Freundin:
„Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urteilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün – und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzutut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstände. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint. Ist das letzte, so ist die Wahrheit, die wir hier sammeln, nach dem Tode nicht mehr – und alles Bestreben, ein Eigentum sich zu erwerben, das uns auch in das Grab folgt, ist vergeblich –“ […] Mein einziges, mein höchstes Ziel ist gesunken, und ich habe nun keines mehr – Seit diese Überzeugung, nämlich, daß hienieden keine Wahrheit zu finden ist, vor meine Seele trat, habe ich nicht wieder ein Buch angerührt. Ich bin untätig in meinem Zimmer umhergegangen, ich habe mich an das offne Fenster gesetzt, ich bin hinausgelaufen ins Freie, eine innerliche Unruhe trieb mich zuletzt in Tabagien und Kaffeehäuser, ich habe Schauspiele und Konzerte besucht, um mich zu zerstreuen, ich habe sogar, um mich zu betäuben, eine Torheit begangen, die Dir Carl lieber erzählen mag, als ich; und dennoch war der einzige Gedanke, den meine Seele in diesem äußeren Tumulte mit glühender Angst bearbeitete, immer nur dieser: dein einziges, dein höchstes Ziel ist gesunken“.[1]
Diese tief bewegenden Worte Heinrich von Kleist, bringen seine Verzweiflung an der Wahrheit zum Ausdruck. Eine Verzweiflung, die mit zu seinem Selbstmord beigetragen hat. Diese Worte scheinen uns eine Situation vor Augen zu führen, in der der Mensch eine Wahrheit, die objektive Wirklichkeit, überhaupt nicht erkennen kann. Wir müssen uns aber hier fragen, stimmt das, ist es wirklich so, dass wir alle Wahrheit bezweifeln müssen, oder gibt es einen Fundus von Erkenntnis und Evidenz, der uns aus dieser Verzweiflung an der Wahrheit, aus dieser Unfähigkeit von irgendetwas sagen zu können, es sei wahr, befreit und uns zu echter Erkenntnis führt?
Wie können wir mit Gewissheit zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen?
„Wir alle, Sie oder ich, wir suchen nach Wahrheit und nach vernünftigen Gründen für unser Handeln und für unsere Erkenntnis. Wie kommen wir zu dieser Klarheit, wie kommen wir zu dieser Wahrheit?“[2] Die Frage, die Sie gestellt haben, „wie können wir zur Wahrheit gelangen?“, ist eben diese Grundfrage der Philosophie, die die das Problem der Gewissheit in der Erkenntnis betrifft.
Zwei Quellen der Skepsis
Und hier will ich darstellen, wie einer der größten Denker des Abendlandes aus den tiefsten Abgründen der Krise, das Skepsis der Verzweiflung an aller Wahrheit zur Erkenntnis einer evidenten und unbezweifelbaren Wahrheit gelangt ist. Vielleicht müssen wir uns hier einen Augenblick erinnern an zwei Quellen der Skepsis und an zwei, der großen Krisen, in denen die Philosophie, die sich um Erkenntnis und Weisheit bemüht, an diesem Problem gescheitert ist.
Eine dieser Krisen schildert uns Platon im Dialog „Der Phaidon“. Dort erzählt Sokrates aus seiner Jugend, wie er begeistert war von den Vorsokratiker, die über die Welt und über Gott und über die Vernunft gesprochen haben. Dann hat er aber erkannt, dass ihr Materialismus, ihre Auffassung, dass die Erkenntnis nur ein Produkt von Atomen und von materiellen Faktoren ist, jede Erkenntnismöglichkeit zerstört. Genauso bleibt auch der Gegenstand der philosophischen Erkenntnis, der nicht ein sinnlicher Materieller ist, durch diese Philosophie unerklärbar. Im Verlauf des Gespräches in dem Dialog „Phaidon“, einem Gespräch, das Sokrates mit seinen Freunden kurz vor seinem Tod führt, warnt Sokrates vor der Misologie . Als verschiedene Freunde Einwände gegen seine Ausführungen über die Seele darlegen und als er die Geschichte aus seiner Jugend erzählt, spricht Platon und Sokrates von der großen Krise, die darin besteht, dass die Menschen, weil sie viele schlechte Argumente finden, viele irrige Auffassungen antreffen, dass die Menschen aufgrund dieser Tatsache an aller Wahrheit zu zweifeln beginnen und den Logos, die Wahrheit hassen oder nicht mehr an die Wahrheit glauben.
Gibt es einen zureichenden Grund für absolut gewisse Erkenntnis?
Augustinus hat auch eine solche Krise erlebt, Jahrhunderte später, er war ein Skeptiker, er hat an aller Wahrheit gezweifelt, aber er taucht aus dieser Skepsis auf in einem ganz gewaltigen Gedankengang, der eigentlich am Anfang der mittelalterlichen Philosophie steht. Später im siebzehn Jahrhundert gelang René Descartes für die französischen Philosophie noch einmal ein Neuanfang.
Das berühmte cartesische Cogito, wie es der französische Philosoph Descartes entwickelt hat, ist den meisten Menschen bekannt. Das augustinische ist aber den meisten unbekannt. Da ich die augustinische Begründung evidenter gewisser Erkenntnis für noch bedeutende halte, möchte ich eine der vielen Stellen vorlesen, in denen Augustinus darüber spricht. Augustinus schreibt ausgehend von dem radikalen Zweifel:
„Wer möchte jedoch zweifeln, dass er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Gewissheit haben; wenn man zweifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiss man, dass man nicht weiss; wenn man zweifelt, urteilt man, dass man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln, dass, wenn es all dies nicht gäbe, er an keiner Sache zu zweifeln vermöchte“[3]
In diesem Text zeigt Augustinus, wenn man ihn genau liest, dass auch im radikalsten skeptischen Zweifel zwei Quellen der Gewissheit und Evidenz der Erkenntnis zu finden sind: Einmal die Erkenntnis des eigenen Seins. Hier haben wir ein ganz intimes und unbezweifelbares Bewusstsein, dass wir selbst sind, dass wir selbst leben. Cogito ergo sum , sagte Descartes. „Ich denke also lebe ich.“
„Auch, wenn ich zweifle, mich täusche, bin ich“, sagt Augustinus und in der Stelle, die wir gelesen haben, sagt er, auch wenn jemand zweifle, lebt er. Von diesem Leben, von diesem Sein haben wir ein innerliches Bewusst sein, das keine Täuschung sein kann, weil jede Täuschung schon wieder dieses Sein, das Subjekt voraussetzt. Aber wir erkennen nicht nur, dass wir leben und sind, sondern auch unzählige Akte, dass wir denken, dass wir wollen und sofort.
Doch nicht nur das, sondern es gibt auch eine zweite Quelle und einen zweiten Gegenstand der Erkenntnis hier. Diesen nennt Augustinus, die ewigen Wahrheiten . Nicht nur erlebe ich, dass ich bin oder dass ich zweifle, sondern ich erkenne, dass überhaupt niemand zweifeln kann, in keiner möglichen Welt zweifeln kann, ohne real zu existieren, ohne lebendig zu sein. Ein totes Wesen kann nicht zweifeln, nur ein lebendiges. Ich sehe ein, dass in jeder möglichen Welt, wenn jemand zweifelt, muss er einen Gegenstand haben, an dem er zweifelt. Denn niemand kann einfach zweifeln, so wie er müde sein kann. Zweifel ist ein intentionaler Akt, wie die Phänomenologen sich ausdrücken. Der Zweifel hat einen Gegenstand. Wir zweifeln zum Beispiel daran, ob es Wahrheit gibt oder dass es Wahrheit gibt. Dabei betrachten wir die Möglichkeit, dass es sie gibt, aber auch, dass es sie nicht gibt. Zweifel hat also einen Gegenstand, und an den Gegenstand müssen wir uns erinnern, sonst können wir gar nicht zweifeln. Zweifel schließt auch ein Wollen ein. Ich will sicher sein.
In einem anderen Passus, sagt Augustinus: Selbst wenn ich mich in meiner Existenz irren könnte, so könnte ich mich darin nicht irren, dass ich mich nicht darin irren willen. Das Wollen der Wahrheit, der Wille, der sich nach der Erkenntnis ausstreckt, gehört zum Allergewissesten. Natürlich erkennen wir damit auch, dass wir sind, aber dieser Wille ist auch absolut evident. Ferner erkennen wir, dass niemand zweifeln kann, ohne zu urteilen, dass er seine Zustimmung nicht voreilig geben kann, sonst würde er blind seine Überzeugungen verteidigen. Also der Zweifel setzt ein Bewusstsein voraus, dass es besser ist zu zweifeln, als blind in Irrtümer zu fallen. Auch diese Erkenntnis, die bestimmte Werterkenntnisse einschließt, setzt der radikale Zweifel voraus. Überdies setzt der Zweifel eine ganze Fülle, eine ganze Welt von solchen einsichtigen Wahrheiten voraus, die nicht nur meine Person betreffen, sondern die ewige Gesetze des Wesens der Dinge, die Augustinus als ewige Wahrheiten bezeichnet.
„Mir scheint heute, dass die meisten Menschen eigentlich auf eine Position sich zurückziehen, wie sie Descartes und Augustinus gehabt haben, auf das cogito ergo sum, jedenfalls bei Descartes. Das bedeutet, „ich denke also bin ich“. Ist dies tatsächlich die einzige Quelle unserer Gewissheit? Oder führt das nicht zum Subjektivismus? Das heißt, dass ich letztlich nur noch daran glaube, dass ich selbst bin, aber über die Welt außerhalb meines Geistes oder meines Verstandes überhaupt nichts auszusagen vermag?“[4]
Die Frage, ob das Cogito, ob dieses Argument des Heiligen Augustinus, für die Evidenz und Gewissheit der Wahrheit zum Subjektivismus führt, kann man einmal historisch beantworten. Man kann sagen bei Descartes hat das Cogito zum Subjektivismus geführt, obschon man mit Nietzsche betonen müsste, das eigentlich gegen Descartes dieser Subjektivismus eingetreten ist und nicht aufgrund seines Vorgehens. Dennoch kann man in Descartes Denken verschiedene Wurzeln des Subjektivismus sehen, zum Beispiel in seiner Idee, dass die ewigen Wahrheiten von Gott geschaffen sind und geändert werden könnten. Dieser Voluntarismus ist eine Wurzel dieses Subjektivismus in der modernen Philosophie.
Aber bei Augustinus, der dasselbe Argument noch großartige entwickelt hat, hat das Argument keineswegs zum Subjektivismus geführt, sondern zur Begründung der ganzen großen Tradition mittelalterlicher Philosophie.
Zweitens kann man auf die Frage antworten, dass Augustinus in seinem Cogito, nicht nur das eigene Subjekt, das eigene ich entdeckt, sondern allgemeine, universale Wahrheiten. Darin ist er auch ganz mit Aristoteles verwandt, der im vierten Buch im Buch Gammer seiner Metaphysik sagt, das aller gewisseste Prinzip ist das vom Widerspruch: Nichts kann zugleich sein und zugleich im selben Sinn nicht sein.
Auch Augustinus zeigt in „Contra Academicus“, dass auch dieser radikale Zweifel voraussetzt, dass wir uns bewusst sind: Entweder ist das, woran wir zweifeln, oder es ist nicht, aber beides zugleich ist unmöglich. Wenn wir dieses Prinzip nicht einsehen würden, dass nichts zugleich sein und nicht sein kann, dann könnten wir auch überhaupt nicht zweifeln. Augustinus sieht den Zweifel als eine Quelle der Einsicht in viele universale, allgemein gültige Wahrheiten und schließt darin eine Transzendenz des Menschen in der Erkenntnis ein, ein Über-das-eigene-Subjekt-Hinausgehen ein, ein Einsehen von etwas universal gültigen. Außerdem ist die Erkenntnis des eigenen Subjekts keineswegs die Erkenntnis von etwas nur Subjektivem.
Wir können sagen, ich als Person, als real existierende lebendige Person, bin ebenso wirklich und ebenso real, ja noch viel mehr als die ganzen Gestirne und alle Atomen und alle Gegenstände der Physik und Chemie. Die Person ist das Seiende im ersten Sinn, im höchstens, im realsten Sinn. Also ist die Erkenntnis des Cogito, die Erkenntnis: Cogito ergo sum, ergo esse est! Ich erkenne, dass ich bin und dass also ein objektives Sein existiert.
Schließlich könnte man auf die Frage noch antworten, dass das Cogito nur der erste Boden dieser evidenten Erkenntnis ist. Von dort aus aber können wir weitergehen zu einer Rechtfertigung des Sinneswahrnehmung, zu einer Erklärung, wie wir andere Personen erkennen können, zu einer Erklärung auch der Gotteserkenntnis. Das werden Themen für spätere Diskussionen und Gespräche über philosophische Fragen sein.
Gibt es eine realistische Phänomenologie?
„Ich habe bisher immer davon gehört, dass die Phänomenologie eigentlich die Frage nach der Realität, nach der Wirklichkeit, also z.B. ob ich wirklich existiere, ausklammert. Gibt es eine Art realistische Phänomenologie, die Realität begründet oder ein Kontakt zur Realität schafft?“[5]
Es ist sicher richtig, dass Edmund Husserl, der Gründer der phänomenologischen Bewegung, selbst von dem Standpunkt eines Objektivismus in den „Logischen Untersuchungen“, vor allem in den „Prolegomena“, sich zu einem radikalen Subjektivismus hin bewegt hat, zu einer Transzendentalphilosophie, die noch weiter geht als Kant, weil Husserl in den „Cartesianischen Meditationen“ schon den Begriff eines Dinges an sich , einer Wirklichkeit, die unabhängig vom menschlichen Subjekt ist und erkennbar ist, verworfen hat.
Aber viele Phänomenologen, die sogenannten realistischen Phänomenologen stellen einen radikalen Gegensatz zu dieser Philosophie da. Alexander Pfänder, Adolf Reinach, Dietrich von Hildebrand, die heiliggesprochene jüdische Philosophin Edith Stein, Hedwig Conrad Martius und viele andere wie Roman Ingarden, der große polnische Philosoph, der auch auf Karol Wojtyła, und den polnischen Personalismus einen großen Einfluss hatte; sie alle in verschiedenen Maß gehen in Richtung des Realismus.
Die Hauptbeiträge dieser Richtung, die ich auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie für epochal halte, bestehen darin, dass zunächst die Objektivität des sogenannten Apriori, dieser ewigen Wahrheiten, von denen wir gesprochen haben, begründet wurde. Es handelt sich hier nicht um eine Notwendigkeit auf der Seite des Subjekt , um ein Nicht-anders-denken-Können als, um eine psychologische oder transzendentale Notwendigkeit zu denken, sondern um eine um ein Sosein-müssen-und-nicht-anderssein-Können der Sachen selbst . Farbe ihrem Wesen nach ist ausgedehnt, das ist nicht nur eine Unmöglichkeit es anders zu denken. Jeder sittliche Wert setzt notwendig Freiheit voraus und die Notwendigkeit gründet in der Natur der Sache.
Diese Notwendigkeit ist ferner, so zeigen diese Phänomenologen, vor allem Dietrich von Hildebrand in seinem Buch „Was ist Philosophie“ und Adolf Reinach in seiner Schrift „Über Phänomenologie“, diese Notwendigkeit ist auch einleuchtend, ist intelligibel. Es ist also nicht nur ein Faktum der Vernunft, sondern es ist eine einsichtige Notwendigkeit der Sachen selbst. Vor allem aber haben diese Phänomenologen auch den Erfahrungsbegriff revolutioniert. Sie haben erkannt, dass die Erfahrung nicht nur ein zufälliges Chaos von Sinneseindrücken uns liefert, sondern die Erfahrung, auch sinnvolle und notwendige Sachverhalte uns erschließt. Dies ist deshalb möglich, da auf der Seite der Objekte nicht nur zufällige, kontingente Verbindungen von Elementen, wie zum Beispiel bei einem Haufen Abfall, uns begegnet, sondern sinnvoll Formen und gestaltete Strukturen, wie sie die empirischen Wissenschaften erforschen, vor allem aber auch in sich notwendige und absolut von innen her zu einer Einheit zusammengeschlossene Wesenheiten. Und es sind diese, die sogenannten apriorischen Wesenheiten , die die Mathematik, die Logik oder auch die Philosophie im Ganzen erforschen kann.
Durch diesen Durchbruch hat die realistisch phänomenologische Bewegung auch gezeigt, dass das Feld dieser notwendigen Wahrheiten, von denen schon Kant gesprochen hat, auch wenn er sie subjektiviert hat, dass dieses Feld nicht nur zwölf Kategorien und zwei Anschauungsformen und einige ärmliche Prinzipien umfasst, sondern ein unendlich reiches Feld ist, und die Erfahrung der Person, des Moralischen, der Akte, erschließt uns dieses unendliche Gebiet des objektiven Apriori .
Zusammenfassung
Ich kann hier nicht mehr darüber sprechen, aber will damit schließen, noch einmal an das Ergebnis dieses philosophischen Gesprächs, dieser philosophischen Reflexionen zu erinnern.
Wir haben erkannt, dass selbst der radikalste skeptische Zweifel von dem Augustinus ausgeht, der Zweifel an aller Wahrheit und an allen Sein unmöglich ist, ohne dass der Zweifelnde eine Gewissheit der Erkenntnis erlangt, eine Gewissheit der Erkenntnis über sein eigenes Sein, über die Tatsache, dass er zweifelt, über die unendliche Fülle der Akte die in ihm bestehen, aber auch eine Gewissheit, die über das Subjekt hinausgeht, eine Gewissheit notwendiger Prinzipien und Wahrheiten, dass jeder, der zweifelt, real existieren muss, das jeder, der zweifelt ein Bewusstsein hat vom Objekt, an dem er zweifelt und sofort.
Diese Einsichten umfassen auch das Widerspruchsprinzip und die ontologischen Prinzipien, dass nichts zugleich sein und nicht sein kann. Es ist also eine Welt, es sind unendlich viele einsichtige Wahrheiten, von der Augustinus sagt, das diese auch im radikalsten Zweifel uns entgegentreten.
Insofern haben wir hier in den festen Boden gewonnen. Archimedes, der große griechische Mathematiker und Entdecker der Hebelgesetze, hat gesagt: „Gib mir einen Punkt und ich werde die Welt aus ihren Angeln heben.“ Hier finden wir den archimedischen Punkt der Erkenntnis in dieser authentischen Deutung des Cogito, wie sie vor allem Augustinus und eine Reihe von Phänomenologen entwickelt haben.
Dieses Cogito zeigt, dass der Mensch nicht in sich, in seine Subjektivität eingeschlossen ist, sondern sich selbst transzendieren kann, sich selbst überschreiten kann und das wirkliche Sein der eigenen Person und die notwendigen Wahrheiten erkennen kann.
Endnoten
[1] Kleist, Heinrich von. 1964. Sämtliche Werke und Briefe. Zweiter Band. München: Carl Hanser Verlag, Kap. 3, Brief 37.
[2] Fragt eine Sprecherin von EWTN.
[3]Aurelius Augustinus: De trinitate. Meiner Hamburg 2001, Buch X, 10.14.
[4] Fragt ein Sprecher von EWTN.
[5] Ebd.